Experteninterview zum Thema Künstliche Intelligenz an Hochschulen

In diesem Beitrag wird künstliche Intelligenz an Hochschule und Wissenschaft durch einen Experten vom Thüringer Zentrum für Lernende Systeme und Robotik (TZLR) eingeschätzt.
KI Grafik
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Foto: deepakiqlect

In Anlehnung an den vorherigen Blogbeitrag, der sich mit künstlicher Intelligenz (KI) im Bildungsbereich befasst und die Möglichkeiten aufzeigt, die diese Technologie für Studierende bietet, wird in diesem Beitrag KI an Hochschule und Wissenschaft durch einen Experten eingeschätzt. Dr. Oliver Mothes, welcher Teil des Teams im Thüringer Zentrum für Lernende Systeme und Robotik (TZLR) ist, hat im Rahmen eines kurzen Interviews verschiedene Anwendungen von KI im Bildungsbereich näher beleuchtet. Dr. Mothes koordiniert das Forschungsprojekt THInKI (Thüringer Hochschulinitiative für KI im Studium)Externer Link an der Friedrich-Schiller-Universität, welches darauf abzielt, Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich KI an Studierende, Lehrende und Wissenschaftler:innen aus allen Fachbereichen zu vermitteln.

Die Zukunft der KI im Bereich der Bildung und Forschung verspricht, ein spannendes Feld zu sein. Das folgende Interview gibt einen kleinen Einblick auf die aktuelle Situation und mögliche Entwicklungen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage und Entwicklung rund um KI an Hochschulen und Universitäten ein?

Dr. Mothes:

Zu KI in der Hochschulforschung

An den Hochschulen/Universitäten sowie auch an der FSU gibt es viele Lehrstühle, welche im Bereich KI forschen. Diese Lehrstühle lassen sich spezialisieren in Lehrstühle für KI-Grundlagenforschung, KI-Methodenforschung und angewandte bzw. transdisziplinare KI-Forschung, wobei eine klare Abgrenzung der Disziplinen schwierig ist und Überschneidungen zwischen den Forschungsschwerpunkten an der FSU vorhanden sind.

Die KI-Grundlagen- und KI-Methodenforschung findet man meist an den Mathematik- und Informatikfakultäten der Hochschulen wieder. Dort werden die überwiegend mathematischen Theorien und Methoden der KI erforscht und anschließend unter Verwendung öffentlicher Datensätze mit anderen Forscher:innen-Gruppen verglichen.

In solchen Forscher:innen-Gruppen können auch interdisziplinäre Forschungsprojekte entstehen, beispielsweise in Zusammenarbeit mit Partner:innen aus den Bereichen der Medizin, Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften oder anderen Wissenschaftsdomänen, in denen Daten jeglicher Art akquiriert werden. Diese aus der KI-Grundlagen- und KI-Methodenforschung gewonnenen Verfahren werden schließlich in der angewandten und transdisziplinären KI-Forschung verwendet und an die jeweiligen Probleme und dazugehörigen Daten angepasst.

Neue KI-Forschungsschwerpunkte haben sich in den Bereichen Ethik, Recht, Gesellschaft und Bildung aufgetan. Diese werden zukünftig als wichtige Begleitforschung zu KI-Technologie bestehen.

Aktuelle Probleme bezüglich künstlicher Intelligenz in der Hochschulforschung tun sich in der Entwicklung des KI-Forschungs- und KI-Entwicklernachwuchses auf, da die Zahlen Informatikstudierender nicht steigt, trotz der neuen, vielversprechenden und zukunftsorientierten Technologie.

Zu KI in der Hochschulbildung


KI wird überwiegend an den Mathematik- und Informatikfakultäten in sehr theorielastiger Form gelehrt. Hier werden meist mathematische, statistische Grundlagen sowie die Fähigkeit zu Programmieren vorausgesetzt. Für Nicht-Informatiker:innen werden zunächst Angebote zu Datenkompetenz-Vermittlung angeboten. An der Uni Jena ist dies das Zertifikatsprogramm DataLiteracyJena, welches auch KI-Methoden auf einem allgemeinverständlichen Niveau vermittelt.

Förderinitiativen von Bund und Länder ermöglichen es zukünftig auch, tieferes KI-Wissen in anderen Wissenschaftsdomänen zu etablieren. An der FSU Jena wird dies mit dem 4-Jahres-Projekt „THInKI - Thüringer Hochschulinitiative für KI im Studium“ realisiert. Das Programm sieht es vor, bis 2025 auch ein extra-curriculares Zertifikatsprogramm zu entwickeln.

Welche Möglichkeiten sehen Sie in Bezug auf das Studium und wo liegen die Grenzen von KI?

Dr. Mothes: Da sich durch KI (bzw. auch die Digitalisierung) zukünftig Berufsbilder verändern werden, sollte KI in möglichst allen Studiengängen zukünftig eine Rolle spielen. Es müssen nicht für jeden alle mathematisch-theoretischen Hintergründe vermittelt werden, aber je nach Wissenschaftsdomäne sollte eine Art Mündigkeit bei der Verwendung von KI-Methoden erzeugt werden.

Hierfür gibt es 2 Projekte an der FSU: DataLiteracyJena und THInKIExterner Link. Gleichzeitig bieten einige Hochschulen spezialisierte Masterstudiengänge zu KI an. An der FSU ist das der Master of Computational and Data Science.

Die Grenzen von KI im Studium liegen eher bei der falschen bzw. inkorrekten Verwendung dieser. Grenzen oder besser Limitation grundsätzlich von KI gibt es immer und wird es weiterhin geben. Hier schließe ich gesetzliche, ethisch-moralische und gesellschaftliche Grenzen mit ein. Diese sollten durch gewisse Regulierungen (AI Act, DataAct, DSGVO, etc.) auch behandelt werden.

KI wird aktuell häufig genutzt. Wie wird in Zukunft der Umgang mit KI im Studium stattfinden? Wie können Studierende und Lehrende es sinnvoll einsetzen?

Dr. Mothes: KI-Inhalte sollten auch in der Hochschullehre mitvermittelt werden. Hier, wie schon erwähnt, auf ein gewisses Maß an „Level-of-Detail“ was die Theorie und Mathematik dahinter angeht. Dennoch wird es zukünftig verschiedene Tools geben (wie OrangeDataMiningExterner Link), mit denen man ohne Programmierkenntnisse einfach KI-Modelle trainieren kann. Dies wird auch für die zukünftige Wissenschaftsdomäne interessant sein und sollte demnach auch gelehrt werden.

Text-generierende KI-Modelle, wie ChatGPT und Co., sind sicherlich auch bei Studierenden schon angekommen und wurden ausprobiert. Inwieweit dies Lehrende zukünftig mit in ihre Lehre etablieren werden, ist noch nicht vorherzusehen. Beides soll aber keine Panik auslösen, weder bei den Lehrenden noch den Studierenden. Aktuell ist die Verwendung solcher Hilfsmittel ohnehin nach Prüfungsordnung bei Nichtkennzeichnung gar nicht erlaubt und widerspricht der Eigenständigkeitserklärung. Dazu gab es auch eine Mail des Präsidiums in den letzten Wochen. Und es kann niemand sicher sagen, ob und in weit KI-generierte Inhalte zukünftig durch KI-Methoden nicht auch erkannt werden können oder sogar gegen das Urheberrechtsgesetz wie auch gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen.

Wichtig ist zukünftig dennoch die Vermittlung zu den Hintergründen solcher KI-Modelle bzw. Methoden und wie sie funktionieren, da nicht alles, was generiert wird, auch wirklich korrekt ist (Stichwort: Halluzinationen solcher Modelle). 

Historische Analogie aus eigener Erfahrung:

Aber am Beispiel vom schnellen Aufstieg des Internets, inklusive Suchmaschinen und Wikipedia, Anfang der Nuller Jahre, war es Studierenden auch möglich geworden, verschiedenes Wissen dort sehr schnell zu erlangen, anstatt in die Bibliothek zu gehen und langwierig in Büchern suchen zu müssen. Dieses Wissen war auch nicht immer korrekt und die Studierenden mussten lernen, das Wissen aus verschiedenen Quellen sinnvoll zu filtern und erlernten dadurch einen mündigen Umgang mit der Technologie Internet. In solch einem Prozess stecken wir (Studierende und Lehrende) meiner Meinung nun auch wieder.

Sinnvoller Einsatz von Studierenden: 

  • Analyse von erhobenen Daten in Abschlussarbeiten / Projekte durch KI-Methoden für bspw. Prognosen
  • Generierung von Python-Code durch Large-Language-Models wie CoPilotExterner Link zur Auswertung von erhobenen Daten (Achtung: Tut das Programm wirklich, was es soll?)

Sinnvoller Einsatz von Lehrenden: 

  • Learning Analytics: Analyse von Lehrprozessen zur Optimierung von Lehre
  • Digital Humanities: Analysen von Prompts und dazugehörigen Ausgaben von Large-Language-Models

Wie wird KI aktuell in der Forschung genutzt und wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?

Dr. Mothes: In allen Bereichen der Forschung, in denen Daten jeglicher Art vorliegen, welche durch „teures“ Expert:innenwissen ausgewertet (evaluiert) werden müssen, versucht man nun, dieses Expert:innenwissen zu Daten durch ein KI-Modell zu ersetzen (Stichwort: Digitaler Zwilling durch Supervised Learning Methoden). Diese Entwicklung, ist beispielsweise in der Medizin (UKJ Jena) zu finden.

Gleichzeitig sollen in aufkommenden Daten jeglicher Art interessante Muster erkannt werden, die für einen Menschen auf Anhieb nicht ersichtlich sind. Auch dazu wird KI in der Forschung verwendet. Solche Muster können beispielsweise auf eine Anomalie hinweisen, die für Domänenexpert:innen interessant sein könnte. Diese Phänomene treten beispielsweise bei Klima-Daten sehr häufig auf (Max-Planck-Institut f. Biogeochemie JenaExterner Link). Oder solche Muster können sich automatisch gruppieren lassen, was die Domänenexpert:innen dazu befähigt, gewisse Erkenntnisse aus den Daten herauszulesen (Medizin, Krankheitsbilder zu bestimmten Messwerten wie Blutbild).

Potenziale gibt es viele, so lange die notwendige Datenmenge inklusive Datenqualität vorhanden ist. Daher sehe ich viel Potenzial in den Domänen, die Daten erheben und diese „sauber“ ablegen (Stichwort: Forschungsdatenmanagement - Kontaktstelle an der FSU berät).

Gleichzeit liegt noch viel Potenzial in der Förderung von KI-Nachwuchswissenschaftler:innen, da hier ein großer Bedarf vorliegt.

Interviewerin und Verfasserin: Angelique Karcher, Digitale Lotsin der Philosophischen Fakultät